Mittwoch, 9. Oktober 2013

Rumpelstilzchen sucht Passierschein A38



Hallo zusammen,

obwohl es ziemlich viel zu erzählen gibt, hat mich in letzter Zeit die Motivation verlassen, zu schreiben. Aber jetzt erst mal der Reihe nach:

Am Samstag haben Jan, Anne und ich uns den Akshardamtempel angeschaut. Das ist ein ziemlich großer Tempelkomplex etwas außerhalb von Delhi und wurde von der hinduistischen Swaminarayan-Sekte im Jahr 2005 erbaut. Leider durfte man keine Fotos machen, darum hab ich ein paar gegoogelt und unten angefügt.
Beim Eintritt ins „Disneyschloss“ hat man das Gefühl, sich in einem Hochsicherheitstrakt zu befinden. Überall wird man zwischen Mauern mit Stacheldrahtbewehrung geschleust, vorbei an Sicherheitspersonal und ungefähr hundertmal wird man durchsucht und abgetastet. Alles außer den Geldbeutel (weil man soll ja Souvenirs kaufen) muss abgegeben werden, bevor man das Gelände betritt. Und die ganz Schlauen, die mit kurzen Shorts reinwollen, kriegen ein knalloranges Tuch, das sie sich um die Hüften binden müssen (so gesehen bei zwei Briten). Man könnte sich auch eine Ganzkörperburka ausleihen, wenn man das möchte.
Wenn man es dann endlich reingeschafft hat, kann man die wirklich schön angelegten Gartenanlagen, einen überdachten Rundgang und den Haupttempel selbst bewundern. Weil das Ganze aus rosafarbenem Sandstein erbaut wurde und alle Gebäude, Tore, Wände und Decken auf jedem Quadratzentimeter mit reichen Schnitzereien verziert sind, tut man sich schwer, an ein religiöses Gebäude anstelle eines Märchenschlosses zu denken.
In einem der Gebäude kann man auch einen Film über das Leben des Sektengründers Bhagwan Swaminarayan anschauen (für Nicht-Hindi-Sprecher mit Kopfhörer) und man kann sich dasselbe auch in einer Animationsshow reinziehen. Dabei geht man von einem Raum zum nächsten, und in jedem wird mit animierten Figuren (die übrigens tatsächlich aufwändig und detailreich gestaltet sind) eine andere Szene aus Swaminarayans Leben dargestellt. Außerdem kann man sich auf eine Bootsfahrt begeben, die an die „Piraten von Batavia“ im Europapark erinnert und auf der man erfährt, dass die Inder alle wichtigen Erfindungen und Entdeckungen der Welt gemacht haben (und immer mindestens 2.000 Jahre vor allen anderen).
Am Abend haben wir uns dann die Light & Sound-Show gegeben, die wirklich sehr spektakulär war und schön anzusehen. Besonders bewundert habe ich die wirklich punktgenaue Abstimmung von Musik, Licht und den bis zu 20 Meter hohen Wasserfontänen.
Auf dieser Show waren geschätzte 2.000 Menschen und als uns dann aufgegangen ist, dass die ja nach Ende der Show alle auch wieder zu den wenigen Schaltern hin mussten, wo man die Taschen abholen konnte, ist uns ein bisschen anders geworden. Überraschenderweise ging es aber dann doch ziemlich flott, weil viele der Besucher wohl offensichtlich nichts abgegeben hatten oder noch in Gruppen herumstanden und nicht alle gleich zu den Schaltern stürmten.

Nachdem wir ja den ganzen Tag in der Tempelanlage herumgewandert sind, hatten wir riesigen Hunger und beschlossen, einen weiteren Lonely-Planet-Tipp auszuprobieren und das Lodi Garden Restaurant zu besuchen. Eine weise Entscheidung. Mann, ist das ein super-duper-tolles Restaurant!!! Wir gingen durch das relativ unscheinbare Schild hinein in den Garten - und mir fiel die Kinnlade runter. Ein gepflasterter Weg schlängelte sich vorbei an mit Sträuchern und Bäumen bepflanzten Inseln, zwischen denen auf festgestampftem Kies die Tische für zwei bis sechs Personen standen. An den Rändern des Gartens, direkt an der umgebenden Hecke befanden sich Lounges für zwei bis vier Personen, Sitzgelegenheiten mit dicken Polstern und Vorhängen rundherum, die für Privatsphäre sorgen und niedrigen Tischchen davor für die Getränke. Die Beleuchtung bestand aus Rattanlampen, welche in den Bäumen hingen und leuchtenden Steinen in den Pflanzeninseln - ein wunderbar weiches und gedämpftes Licht!
Sofort eilte ein Kellner herbei und führte uns an einen Tisch. Auf der Speisekarte fanden sich libanesische, indische und italienische Gerichte, es gab superguten Wein und noch bessere Cocktails. Die Kellner waren wirklich eines europäischen Sternerestaurants würdig - das hab ich in Indien noch nicht erlebt bisher!
Der Abend war also ein voller Erfolg und die Tausende von Rupien wert, die wir da liegengelassen haben ;o)

Am Sonntag stand dann Shopping am Programm - wir haben zehn Stunden in der Saket City Mall verbracht und wirklich fast jeden einzelnen Laden besucht. Um halb zwölf abends waren wir dann daheim und ich bin todmüde ins Bett gefallen.

Nachdem wir ja am Wochenende einen Ausflug nach Shimla geplant haben und wir aus irgendeinem Grund keine Zugtickets im Internet buchen konnten, machten wir uns am Dienstag nach dem Unterricht auf zum Tourist Bureau an der New Delhi Railway Station, um die Tickets halt vor Ort zu kaufen. Gesagt, getan, wir kamen in der riesigen Halle an und durften erst mal einen Token ziehen mit einer Nummer drauf, die dann aufgerufen wird. Weil wir die schöne Zahl 374 gezogen hatten und gerade mal die Nummern rund um 220 oder so dranwaren, stellten wir uns auf eine längere Wartezeit ein. Wir erwischten nach kurzer Zeit sogar einen Sitzplatz. Nach etwa einer halben Stunde kamen wir drauf, dass wir ja möglicherweise unsere Reisepässe für die Buchung benötigten - und siehe da - wir hatten sie nicht dabei! Nach kurzer Diskussion einigten wir uns darauf, dass Jan „schnell“ zur Wohnung fährt und unsere Pässe mitbringt - es waren ja noch immer ca. 120 Nummern vor uns.
Während der Wartezeit auf Jan fiel uns ein älterer Herr auf, der ziemlich hilflos herumstand, europäisch aussah und total überfordert wirkte. Wir versuchten, ihm zu erklären wie das hier funktioniert und es stellte sich heraus, dass er Spanier war, kaum Englisch konnte, seit sechs Uhr früh in Delhi war und schon zu vier verschiedenen illegalen Touristenbüros gelockt worden war. Außerdem hatte ihm ein Tuc-Tuc-Fahrer erzählt, dass Paharganj, das Backpackerviertel, zu dem er wollte, abgesperrt sei - natürlich um den armen Kerl zu einem Hotel zu bringen, wo er (der Tuc-Tuc-Fahrer) Provision kriegt.
Kurz, nachdem Jan wieder da war, wurde dann unsere Nummer aufgerufen (nach zweieinhalb Stunden Wartezeit) und wir konnten zu dem Herrn am Ticketcounter. Er war dann auch sehr bemüht, uns Züge herauszusuchen (leider waren die meisten schon ausgebucht) und zu helfen - bis zu dem Zeitpunkt, als er auf die Idee kam, sich unsere Visa anzusehen. Oh, leider könne er uns nicht helfen, er darf uns keine Tickets verkaufen, weil das hier nur für Touristen sei - und das sind wir leider nicht, weil wir ja alle Studentenvisa haben. Die Frage (nach mehrmaligen Versuchen von mir ziemlich laut und verärgert gestellt), wo wir denn Tickets kaufen könnten, beantwortete er uns nicht. Er schickte uns nur zum Infoschalter mit der Aussage, wenn der Kerl da sagen würde, es sei okay, könne er uns die Tickets verkaufen. Sonst nicht. Also hin zum Infoschalter, wo uns der Typ eiskalt erklärte, dass wir über zwei Stunden umsonst gewartet haben und dass es alles unsere Schuld sei, weil das würde ja da stehen (deutete auf ein Schild neben der Tür). Das war das erste Mal, dass ich geschrien und laut geflucht hab und mir der Dampf aus den Ohren kam. Immerhin, er sagte uns, wir müssten runtergehen, raus und dann links.
Unten, draußen und dann links war der Schalter für Inder (bzw. viele Schalter). Rauchend erklärte ich, dass mir die Schlange jetzt wurscht sei und ich zuerst fragen würde, ob ich an dem Schalter Karten kriege BEVOR ich mich anstelle. Das tat ich dann auch und nach längerem Gefuchtel und Gebrülle (es war echt sehr laut da) kriegte ich drei Zettel ausgehändigt, die ich ausfüllen musste.
Jan und Anne waren mittlerweile beim Enquiry-Schalter, wo der Herr ihnen erklärte, sie sollen doch mal zur Rückseite von dem Schalter gehen und ihn da treffen. Er führte uns dann wieder in den ersten Stock in ein Kabuff, wo wir ihm das Problem erklärten. Ah ja, wir müssten zum IRCA-Gebäude zweihundert Meter die Straße runter gehen.
Wutschnaubend setzten wir uns in Bewegung und leider kamen mir ein paar Rikschafahrer in den Weg, die mich nervten mit ihrem „Rikscha? Rikscha?“-Gefrage. Einen hab ich angeschrien, zwei angefaucht. Dann war ich ein bisschen beruhigt. Aber nur kurz.
Das Gebäude haben wir gefunden, dann mussten wir uns wieder anstellen - indische Art, alle drängeln sich vor. Nachdem wir endlich dran waren, wollte uns der Kerl hinter der Glasscheibe erst zum Tourist Office zurückschicken, was wir aber vehement (und wieder ziemlich laut) ablehnten. Dann hat er sich auch wirklich sehr bemüht, aber leider waren alle Züge ausgebucht. Offensichtlich haben wir für die hinter uns stehenden Männer zu lang gebraucht, weil sie sich zu beschweren anfingen und einer mich mehrfach schubste und anfasste. Ich hab mich gewehrt, indem ich den auch noch angebrüllt hab und, als das nicht lange half, mit meinen Bergschuhen auf seine Flip-Flops (versehentlich) getreten. Beim zweiten Mal Schubsen hat er dann einen ziemlich lauten Fluch abbekommen, aber da waren wir eh schon fertig und am Gehen (das klingt jetzt ziemlich wild, aber gegen schubsende Kerle muss man in Indien gleich laut werden, sonst wird’s nur schlimmer und eine höfliche Bitte um Abstand hilft in diesem Land leider nicht).

Nach fünf Stunden Warten und Weitergeschicktwerden hatten wir also immer noch keine Zugkarten. Wir beschlossen, es nochmal übers Internet zu probieren (mittlerweile haben wir herausgefunden, dass das nicht geht, weil wir keine indischen Kreditkarten haben) und dazwischen essen zu gehen. So saßen wir dann in Indien bei einem Chinesen - und hörten drei Tische weiter breitesten Wiener Dialekt. Das und die gut gemixten Cocktails hoben unsere Laune dann ein bisschen an so dass wir beschlossen, nach dem Essen noch unseren Elektronik-Händler unseres Vertrauens um die Ecke zu gehen.
Nachdem wir unsere Einkäufe getätigt hatten, habe ich den netten Verkäufer gefragt, was denn ein Tuc-Tuc bis nachhause kosten würde - ich hatte nämlich keine Lust auf Metro. Er meinte dann, so 70 bis 80 Rupien - aber wir sollten dem Fahrer sagen, wir wollen „by meter“ (mit Taxameter) fahren und ihm gleich mit der Polizei drohen, falls er sich weigert.

Also rausmarschiert, erstbesten Tuc-Tuc-Fahrer geschnappt, reingesetzt und ihn aufgefordert, den Taxameter einzuschalten. Das tun die Fahrer grundsätzlich nicht gern, weil sie ja gerade bei Touristen hoffen, mit weit überhöhten Preisen durchzukommen. Deshalb wird dann oft behauptet, das Ding sei kaputt. So auch hier, allerdings haben wir gesehen, dass er ganz ist und vehement darauf bestanden. Das artete dann in eine lautere Diskussion aus, die erst beendet war, als Anne ihr Handy gezückt hatte und demonstrativ die „100“ gewählt hatte. Als der Fahrer das gesehen hat, ging der Taxameter dann doch, was für ein Wunder.

Zuhause haben wir uns dann noch mit einem Bier bzw. für mich Breezer auf die Terrasse gesetzt und endlich mal durchgeatmet.

So, am Freitag haben wir unsere nächste Prüfung, bis dahin haben wir frei - ich werd‘ euch auf dem Laufenden halten!

Bis dann!

Akshardamtempel - die 108 wasserspeienden Ochsen und Schwäne aus Bronze symbolisieren die 108 Namen Gottes

Akshardamtempel - Hauptgebäude

Akshardamtempel bei Nacht

Light & Sound-Show im Akshardamtempel
Säule im Akshardam-Tempelkomplex
Lodi Garden Restaurant

Lodi Garden Restaurant

Akshardamtempel - das Hauptgebäude steht auf einem Sockel, in dem 147 Elefanten geschnitzt sind, von denen jeder anders aussieht

5 Kommentare:

  1. ... und wo ist die englische Version von diesem langen Text?? ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Manu, du traust dich ja was... *g* Sei froh, dass sie so weit weg ist ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Das hat genau zwei Gründe - den einen hat Martina sehr schön auf den Punkt gebracht (die haben hier nämlich den Link) - und zum zweiten war ich schlicht zu faul fast drei Seiten noch zu übersetzen ;o)))))

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. War ja nur als kleiner Scherz am Rande gemeint... ;-)

      Löschen
    2. Das hätte mich in Teufels Küche gebracht ;o)))) ich hoffe ja nur, dass des keiner von denen durch den Übersetzer jagt^^

      Löschen